Männchen oder Weibchen bei Landschildkröten erkennen
Die Bestimmung des Geschlechts bei Landschildkröten ist für Halter und Züchter von großer Bedeutung, da sie Einfluss auf das Verhalten, die Haltung und die Fortpflanzung der Tiere hat. Dennoch ist sie nicht immer einfach, denn viele Merkmale entwickeln sich erst mit der Geschlechtsreife. Während Jungtiere äußerlich fast identisch wirken, zeigen erwachsene Tiere deutliche anatomische und verhaltensbezogene Unterschiede. Dieser Artikel erklärt ausführlich, woran man Männchen und Weibchen sicher unterscheiden kann, welche Fehler häufig gemacht werden und warum die Art der Schildkröte dabei eine entscheidende Rolle spielt.
Geschlechtsbestimmung: Wann ist sie möglich?
Bei den meisten europäischen Landschildkrötenarten – etwa der Griechischen Landschildkröte (Testudo hermanni), der Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca) oder der Breitrandschildkröte (Testudo marginata) – werden die Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen erst mit Eintritt der Geschlechtsreife sichtbar. Diese tritt abhängig von Ernährung, Temperatur und Haltung meist zwischen dem sechsten und zehnten Lebensjahr ein.
Vorher sind die Tiere in der Regel zu klein, und die sekundären Geschlechtsmerkmale sind noch nicht ausgeprägt. Erst wenn die Tiere eine bestimmte Größe erreicht haben und der Panzer ausgewachsen ist, lassen sich die Merkmale zuverlässig erkennen.
Schwanzmerkmale: Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal
Das auffälligste anatomische Merkmal ist der Schwanz. Bei männlichen Landschildkröten ist er deutlich länger und kräftiger, vor allem an der Basis. Die Kloake – also die gemeinsame Öffnung für Darm, Harn und Fortpflanzungsorgane – befindet sich beim Männchen weiter von der Panzerkante entfernt. Das ermöglicht ihm bei der Paarung eine größere Bewegungsfreiheit.
Beim Weibchen hingegen ist der Schwanz kürzer und dünner. Die Kloake liegt näher an der Panzerkante, was die Eiablage erleichtert. Dieser Unterschied ist bei erwachsenen Tieren meist klar sichtbar.
Ein praktischer Tipp: Wenn man die Schildkröte vorsichtig auf den Arm nimmt, sollte der Schwanz immer in einer entspannten Position hängen. Das erleichtert die Beobachtung und vermeidet Stress für das Tier.

Der Bauchpanzer (Plastron) – konkav oder flach
Ein weiteres wichtiges Merkmal ist die Form des Bauchpanzers, auch Plastron genannt. Beim Männchen ist dieser meist leicht konkav, also nach innen gewölbt. Diese Vertiefung ermöglicht es, dass das Männchen während der Paarung stabil auf dem Weibchen sitzen kann.
Beim Weibchen hingegen ist der Plastron flach oder nur minimal gewölbt. Das schafft im Körperinneren mehr Platz für die Eier und erleichtert die Eiablage. Die flache Unterseite sorgt zudem für eine bessere Auflage beim Graben des Nests.
Nicht alle Arten zeigen diesen Unterschied gleich stark. Bei der Breitrandschildkröte ist die Wölbung deutlich, während sie bei der Griechischen Landschildkröte oft nur schwach ausgeprägt ist.
Das Kehlenhorn (Gularhorn) und die Kopfform
Das sogenannte Kehlenhorn befindet sich am vorderen Ende des Plastrons und ist bei vielen Arten ein charakteristisches Merkmal. Bei männlichen Landschildkröten ist es in der Regel stärker ausgeprägt und oft leicht nach oben gebogen. Es dient als Waffe im Revierkampf, wenn Männchen ihre Rivalen rammen oder umdrehen.
Weibchen besitzen ebenfalls ein Kehlenhorn, allerdings ist es kleiner und flacher. Sie zeigen seltener aggressives Verhalten, sodass ein starkes Gularhorn für sie evolutionär keinen Vorteil bringt.
Auch die Kopfform kann Hinweise liefern. Männchen haben oft einen kräftigeren, breiteren Kopf, während der Kopf der Weibchen tendenziell schmaler und feiner geformt ist. Diese Unterschiede sind jedoch subtil und sollten nie allein zur Geschlechtsbestimmung herangezogen werden.
Kinndrüsen und Duftdrüsen
Im Bereich des Kinns oder der Kehle befinden sich bei einigen Schildkrötenarten Drüsen, die während der Paarungszeit aktiv werden. Diese sogenannten Duft- oder Kinndrüsen sind bei Männchen deutlich stärker ausgeprägt. Sie verströmen Pheromone, die zur Anlockung von Weibchen dienen und auch territoriale Signale aussenden können.
Bei Weibchen sind diese Drüsen meist nur schwach entwickelt oder gar nicht erkennbar. Besonders bei Arten wie der Maurischen Landschildkröte oder der Steppenschildkröte ist der Unterschied in der Paarungszeit gut zu beobachten.
Körperform und Panzerstruktur
Weibliche Landschildkröten sind in der Regel größer und massiger gebaut. Der Panzer wirkt breiter, besonders im hinteren Bereich, um ausreichend Platz für die Eier zu schaffen. Dieser Bereich des Rückenpanzers – der sogenannte hintere Carapax – ist bei Weibchen leicht verbreitert und abgerundet.
Männchen hingegen sind insgesamt kompakter gebaut. Ihr Panzer ist oft schmaler und etwas länger gezogen. Auch der hintere Panzerabschnitt ist bei ihnen häufig leicht nach innen gebogen, um den Bewegungsablauf während der Paarung zu erleichtern.
Diese Unterschiede sind deutlich sichtbar, wenn man Tiere gleichen Alters miteinander vergleicht.
Unterschiede im Verhalten
Nicht nur körperliche Merkmale, sondern auch Verhaltensweisen können Aufschluss über das Geschlecht geben. Männliche Schildkröten zeigen besonders in der Paarungszeit ein auffälliges Verhalten. Sie sind aktiver, territorialer und häufig aggressiver gegenüber anderen Männchen.
Typisch sind ruckartige Bewegungen, Kopfnicken, Rammversuche oder das Umkreisen und Anstoßen von Weibchen. Diese Verhaltensweisen dienen der Balz und der Dominanz.
Weibchen verhalten sich deutlich ruhiger. Sie zeigen keine Territorialkämpfe und konzentrieren sich während der Fortpflanzungszeit vor allem auf das Graben und Ablegen der Eier. Manche Weibchen graben sogar mehrere Probegruben, bevor sie sich für eine geeignete Stelle entscheiden.
Praktische Tipps zur Bestimmung
Bei der Geschlechtsbestimmung sollte man stets behutsam vorgehen, um das Tier nicht zu stressen. Schildkröten sollten niemals längere Zeit auf den Rücken gedreht werden, da dies ihre Atmung beeinträchtigen kann. Eine sichere Methode besteht darin, die Schildkröte leicht anzuheben und vorsichtig zu betrachten, ohne sie zu drehen.
Am besten führt man die Untersuchung bei entspanntem Tier und in warmer Umgebung durch, da sich die Muskeln und der Schwanz bei Kälte anspannen können und die Beobachtung erschweren.
Da die Merkmale je nach Art variieren, sollte man sich vorher genau informieren oder sich an einen erfahrenen Züchter wenden. Besonders bei Jungtieren ist es ratsam, einen Tierarzt mit Reptilienerfahrung hinzuzuziehen, um Fehlbestimmungen zu vermeiden.
Geschlechtsunterschiede bei verschiedenen Arten
Bei europäischen Arten der Gattung Testudo sind die Merkmale meist ähnlich, doch es gibt feine Unterschiede:
Griechische Landschildkröte (Testudo hermanni): Deutlicher Größenunterschied zwischen den Geschlechtern. Männchen kleiner, längerer Schwanz, stark konkaver Plastron.
Maurische Landschildkröte (Testudo graeca): Weibchen deutlich breiter, Schwanzspitze bei Männchen oft hornartig verdickt.
Breitrandschildkröte (Testudo marginata): Männchen mit stark verlängertem hinteren Panzer, der wie ein „Rock“ übersteht. Weibchen größer und runder.
Steppenschildkröte (Testudo horsfieldii): Geschlechtsunterschiede geringer, Schwanz und Kloakenabstand jedoch klar erkennbar.
Je nach Herkunft und Unterart können sich diese Merkmale leicht unterscheiden, weshalb die Erfahrung im Umgang mit verschiedenen Populationen wichtig ist.
Häufige Fehler bei der Geschlechtsbestimmung
Ein häufiger Irrtum besteht darin, das Geschlecht allein aufgrund der Größe oder des Gewichts zu bestimmen. Diese Merkmale sind stark abhängig von Ernährung, Lebensraum und Alter und daher kein verlässlicher Indikator.
Auch das Verhalten kann trügerisch sein: Manche Weibchen zeigen aggressives Verhalten, besonders bei Enge im Gehege oder während der Eiablage. Ebenso gibt es junge Männchen, die sich ruhig verhalten, bis sie geschlechtsreif sind.
Zudem können extreme Umweltbedingungen die Entwicklung sekundärer Geschlechtsmerkmale beeinflussen. Tiere aus zu kalter oder zu feuchter Haltung entwickeln sich langsamer, was die Bestimmung zusätzlich erschwert.
Geschlechtsbestimmung bei Jungtieren
Bei jungen Schildkröten ist die Bestimmung nahezu unmöglich, da alle oben genannten Merkmale erst mit zunehmendem Alter deutlich werden. Einige erfahrene Halter erkennen minimale Unterschiede im Kloakenabstand oder in der Schwanzform, doch diese sind unsicher und nicht wissenschaftlich bestätigt.
Bei Nachzuchten spielt auch die Bruttemperatur eine Rolle. Das Geschlecht der meisten Landschildkröten wird während der Inkubation im Ei bestimmt. Höhere Temperaturen begünstigen oft die Entwicklung von Weibchen, niedrigere Temperaturen die von Männchen. Daher kann die Brutkontrolle Hinweise auf das zu erwartende Geschlechterverhältnis geben, ersetzt jedoch keine spätere Bestimmung am Tier.
Warum die Geschlechtsbestimmung wichtig ist
Die Kenntnis des Geschlechts hat mehrere Vorteile. Zum einen hilft sie, geeignete Gruppen zusammenzustellen und Streitigkeiten im Gehege zu vermeiden. Mehrere Männchen in einem zu kleinen Territorium führen häufig zu Revierkämpfen, während ein ausgewogenes Verhältnis von Weibchen und Männchen für ruhiges Verhalten sorgt.
Auch für die Zucht ist die genaue Geschlechtsbestimmung unerlässlich. Nur so kann gezielt und verantwortungsvoll vermehrt werden. Außerdem spielt sie in der medizinischen Betreuung eine Rolle, da bestimmte Erkrankungen geschlechtsspezifisch auftreten, etwa Legenot bei Weibchen.
Fazit
Die Unterscheidung zwischen männlichen und weiblichen Landschildkröten ist bei erwachsenen Tieren gut möglich, erfordert jedoch Aufmerksamkeit und Erfahrung. Entscheidend sind Merkmale wie Schwanzlänge, Form des Bauchpanzers, Ausprägung des Kehlenhorns, Körperform und Verhalten.
Jungtiere lassen sich dagegen kaum sicher bestimmen, da die Geschlechtsmerkmale erst mit der Reife sichtbar werden. Wer seine Tiere schonend behandelt, die Unterschiede kennt und im Zweifel einen Fachmann hinzuzieht, kann das Geschlecht seiner Schildkröten zuverlässig feststellen.
Die genaue Beobachtung, Geduld und der respektvolle Umgang mit den Tieren sind dabei der Schlüssel – denn jede Schildkröte ist individuell, und das Erkennen ihres Geschlechts ist ein wichtiger Schritt zu einer artgerechten und verantwortungsvollen Haltung.
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Interne Linkvorschläge (einfacheidee.com):
- Haltung und Pflege der Griechischen Landschildkröte
- Die richtige Ernährung für Landschildkröten im Jahresverlauf
- Tipps zur artgerechten Überwinterung von Landschildkröten
Externe Quellen:
- Bundesverband für Sachkundenachweis Reptilienhaltung (bna-ev.de)
- Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (dght.de)
- Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz – Leitfaden zur Reptilienhaltung (tierschutz-tvt.de)